Blütenlese

28. März 2008

Verloren im säkularen Labyrinth

Filed under: Integration,Theater — by M. M. @ 10:47:07
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F. Zaimoglu

F. Zaimoglu. Er dankt der IZ für gute Arbeit, und protokolliert Endsiege fürs Theater

Regisseur und Autor Neco Çelik findet, es gäbe in Berlin ein „bisschen zu viele Deutsche“, dafür fehlten „mehr Ausländer“ – nicht etwa umgekehrt, denn dann wäre es ja gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit nach Professor Dr. Heitmeyer.

Die demonstriert ansonsten Çeliks Kumpel, der islamische Nazi Abu Bakr Rieger. Der bedauerte nicht nur, dass seine Großväter nicht endgültig dem Jud den Garaus gemacht hätten, sondern er betreibt auch die Islamische Zeitung. Dort äußert sich Celik, in Anwesenheit und ohne Widerspruch des Autors, bereitwillig zu Feridun Zaimoglus Skandalstück Schwarze Jungfrauen. Die sind mehrheitlich Islamistinnen und teils gern bereit, Bin Laden gegen das jüdisch-amerikanische Imperium zum Endsieg zu verhelfen.

Celik ficht das nicht an: „starke, coole, witzige und mutige Muslimininnen“ seien dass. Manchmal zwar „radikal kompromisslos“, aber gerade das sei „gut so!“ Ein Muslim nämlich, der nicht wisse, „wie cool seine Religion“ sei, sei im „säkularen Labyrinth“ der Residenzgesellschaft ein verlorener Muslim.

Links zum Thema:

  • Süddeutsche Zeitung: Am beunruhigendsten für die Multi-Kulti-Fraktion wie für den deutschnationalen Stammtisch dürfte die Intellektuelle sein, die Osama bin Laden als ‚Jahrhunderthelden‘ verehrt.
  • burgtheater.at zu „Schwarze Jungfrauen“
  • heise.de, Wölfe, Töchter und der kulturelle Abschiebeknast, Wo steht die deutschtürkische Kultur heute?
  • Manche sind paranoid hier, Die Zeit, 23.11.2006 Nr. 48: Eskaliert die Gewalt in Berlin-Kreuzberg? Fragen an den türkischstämmigen Regisseur Neco Çelik, der früher selbst eine Jugendgang anführte.

    …Çelik zeigt in diesem Gespräch, dass Dummheit oder mangelnder Durchblick nicht sein Problem ist. Es liegt tiefer und ist grundsätzlich.

Bild: Hans Weingartz, CC-by-sa

16. Februar 2008

(Keine) Titten in Teheran: Subversion mit Kopftuch

Filed under: Theater — by M. M. @ 00:21:52
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Die Kunst ist frei, aber die Courage mit’m Kopftuch, das ist doch ganz toll, das finde ich […] sehr schön.

Mir ist das Regime dort egal und schnurz, mir gefällt das Regime hier auch nicht, mir gefallen eine ganze Menge von Regimes nicht.

Das, das ist ein anderes Land, ich gehe da doch nicht hin, um das System zu ändern […] die haben halt andere Vorstellungen, die wollen nicht, dass die Leute, äh, nacktes Fleisch auf der Bühne …dann ok, dann ist das eben so […] ich finde […] das irgendwie absolut borniert, dieses […] ganze westliche Getue immer, als ob wir die Weisheit der Welt gepachtet hätten.

Interview mit Claus Peymann anlässlich der Premiere von Richard III. im Berliner Ensemble am 8.2.2008. Weitere Themen: die geplante Aufführung in Teheran und die Berliner Demonstration dagegen am Premierenabend. Transkript der Aufzeichnung bei Radio Eins, Sendung „Die Schöne Woche“, 8.2.2008, 15:10 Uhr.

Radio Eins: Schönen guten Tag, Claus Peymann.
Peymann: Hallo.
Radio Eins: Was zieht Sie in die Arme der Mullahs?
Peymann: [lacht] Es zieht mich nicht die Arme der Mullahs, sondern es zieht mich in eine sehr interessante Großstadt, nämlich Teheran, wo total gescheite und unheimlich gute Theaterliebhaber sind, die darauf brennen, etwas über unser Theater zu erfahren.
Radio Eins: Trotzdem lautet der Vorwurf natürlich: Warum wollen Sie in einem Land gastieren, das den Holocaust bestreitet -also vor allem durch den iranischen Präsidenten- und Israel bedroht.
Peymann: Also, ich spiele ja auch hier in unserer Stadt nicht für Wowereit und Angela Merkel, und ich spiele auch nicht für die Herrschenden in Teheran und dem Iran, ich spiele für die Theaterfreaks in der Stadt – und, und, äh, es ist ein Land, äh, das ja vielleicht gar nicht mehr lang in Frieden leben kann, weil, der Bush hat seine Raketen ja schon eingerichtet auf Teheran, und, äh: Besucht Teheran, solange es noch nicht zerbombt ist – aber, so zynisch bin ich nicht, sondern ich finde, dass wir, wenn, wenn der kalte Krieg wieder ausbricht, und die Waffen wieder gegeneinander aufgebaut werden, dass die Kunst dazwischen gehen muss, und dass die Kunst in ihrer Sprache, die die Sprache aller guten Menschen ist, dass, dass wir diese Fronten unterlaufen, also dass finde ich ganz toll. Mir ist das Regime dort egal und schnurz, mir gefällt das Regime hier auch nicht, mir gefallen eine ganze Menge von Regimes nicht, aber mir gefallen die Leute und die Menschen, und für die spielen wir. Wenn die da demonstrieren wollen, dann sollen sie das selber gegen das Regime tun, das kommt ja auch nicht eines Tages.
Radio Eins: Also, da würde ich ihnen als ihr Kritiker – der ich nicht bin …aber wenn ich einer wäre – auch gleich wieder in den Nacken springen und sagen, also überhaupt, das Regime, äh, im Iran gleichzusetzen mit der Bundesrepublik Deutschland und dem politischen System, das auch Regime zu nennen, pfhh… (more…)

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